Über Grundrechte, von denen das Land scheinbar nichts wissen will.

Pressemitteilung vom 12.10.2020: Ein Rechtsgutachten stellt Hausordnungen der Erstaufnahmeeinrichtungen in Frage. Eingriffe in Grundrechte der Bewohner*innen. Im April 2021 wird Freiburg über den weiteren Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung entscheiden.

Vor etwa etwa Monaten haben wir das Regierungspräsidium Freiburg und das Ministerium des Innern, Digitalisierung und Migration in Stuttgart, in Form eines Offenen Briefes angeschrieben. Hintergrund sind die in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg erlassenen Hausordnungen vom 1. Januar 2020. Ein Rechtsgutachten stellt intensive rechtswidrige Grundrechtseingriffe durch die Hausordnungen fest.

Die Stadt Freiburg, die mit dem Land eine Vereinbarung über die Nutzung des Geländes, auf dem sich die Erstaufnahmeeinrichtung befindet, beschlossen hat, wird das Rechtsgutachten in die kommende Evaluation 2021 einbeziehen. „Die Vereinbarung über den Betrieb der LEA mit dem Land Baden-Württemberg beinhaltet eine Evaluierung. Diese wird am 29.04.2021 im Ausschuss für Migration und Integration (MIA) vorgestellt werden.“ „Im Anschluss an die Evaluation wird das Land im Benehmen mit der Stadt über den weiteren Betrieb der LEA entscheiden.“ so ein Brief der Stadt Freiburg.

Durch das Rechtsgutachten wurden zahlreiche rechtliche Fragen aufgeworfen, u.a. Fragen die das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, Eingriffe in die Handlungsfreiheit und Grundrechtseingriffe durch Sicherheitsdienste betreffen. Verschiedene Gemeinderatsfraktionen der Stadt Freiburg fordern nun eine Stellungnahme vom Regierungspräsidium Freiburg, dem Betreiber der Einrichtung. Weiterhin ergeben sich mit dem Vertrag, der zwischen Stadt und Land 2014 ausgehandelt wurde, und der heutigen Unterbringungsrealität, erhebliche Diskrepanzen. So geht der Vertrag von einer Aufenthaltsdauer von 3 Monaten aus, tatsächlich leben Geflüchtete mehr als 18 Monate in der Einrichtung. Gesetzlich sind 18 und mehr Monate vorgesehen.

Ein Rechtsgutachten, von der Stadt Freiburg und dem damaligen Ausländerbeirat 2003 in Auftrag gegeben, kam damals zu dem Ergebnis, dass eine Sachleistungsgewährung über 12 Monate hinaus die Menschenwürde verletzt. Was damals galt, kann heute nicht ungültig sein. Durch die Sachleistungsversorgung ist ein Mindestmaß an eigener Verantwortung für die Lebensgestaltung nicht gegeben. In den heutigen Erstaufnahmeeinrichtungen ist gesetzlich ein Aufenthalt bis und über 18 Monaten ausschließlich mit einer Sachleistungsversorgung vorgesehen. Das berührt Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, die persönliche Handlungsfreiheit und die Menschenwürde. Da Geflüchtete in der Erstaufnahmeeinrichtung auch Bewohner*innen der Stadt Freiburg sind, stellt dies auch ein Eingriff in die Selbstverwaltung der Kommunen dar (Art 28 GG).

Wir stellen fest: Grundrechte für Geflüchtete werden sowohl gesetzlich als auch rechtswidrig durch Hausordnungen eingeschränkt. Massenlager, wie die Erstaufnahmeeinrichtung in Freiburg, die für 1.000 Menschen vorgesehen ist, sind Einrichtungen der permanenten Kontrolle und Überwachung, die nur mit Grundrechtseinschränkungen und damit mit Eingriffen in die persönliche Freiheit und Selbstbestimmung der Bewohner*innen durchzusetzen sind. Das lehnen wir ab!

Wir haben die Wohlfahrtsverbände angeschrieben und sie um Interventionen im Sinne von Flüchtlingsrechten gebeten. Auch besteht ein Austausch mit zahlreichen kommunalen, regionalen aber auch bundesweiten Gruppen. Wir sind der Meinung, dass die Stigmatisierung von Geflüchteten in Massenlagern beendet werden muss und Konzepte für dezentrales Wohnen erarbeitet werden müssen. Wir fordern als ersten Schritt die Beseitigung der Wohnsitzauflage.

Aktion Bleiberecht Freiburg

Lea-Watch Freiburg